Ursachen der Schwerhörigkeit

Ohrmuschelfehlbildungen: Eine Ohrmuschelfehlbildung führt alleine nicht zu einer Schwerhörigkeit, außer es liegen weitere Fehlbildungen des Ohres vor. Sie können alleine oder mit folgenden Syndromen auftreten: Goldenhar, Apert, Moebius, Nager, Franceschetti oder Morbus Crouzon. Bei der Klassifizierung der Ohrmuscheldysplasie unterscheidet man drei Grade, von geringgradig über mittelgradig bis hochgradig, das können sein abstehende Ohren bis hin zu Mikrotie (rudimentäre Ohrmuschel).

Schallleitungsschwerhörigkeit: Die häufigste Ursache für eine Mittelohrschwerhörigkeit, also einer Schallleitungsschwerhörigkeit (SLS), vor allem bei Kindern sind (chronische) Mittelohrentzündungen und Paukenergüsse. Dies sind meist, außer bei chronischen Mittelohrentzündungen, vorübergehende Schwerhörigkeiten. Daneben gibt es noch die Otosklerose. Hierbei wächst eines der Gehörknöchelchen, genauer der Steigbügel, am Eingang zur Cochlea (Hörschnecke), dem sogenannten Ovalen Fenster, fest. Dadurch ist die Schallleitung ins Innenohr gestört. Eine Schallleitungsschwerhörigkeit kann jedoch auch schon bei einer Fehlbildung des Gehörgangs vorliegen bzw. wenn dieser verlegt ist, beispielsweise eine Gehörgangsatresie.

Otosklerose: Hierbei handelt es sich um eine Erkrankung, die den Knochen betrifft, der das Innenohr umgibt (Labyrinthkapsel). Dabei kommt es zunächst zu entzündungsähnlichen Knochenumbauprozessen und zu einer Fixierung der Steigbügelfußplatte an das Ovale Fenster. Durch die dadurch einhergehende Bewegungsbehinderung der Gehörknöchelchen kommt es zu einer zunehmenden Schallleitungsschwerhörigkeit. Weiter kann durch Erkrankungsherde im Bereich der Cochlea eine Innenohrschwerhörigkeit auftreten. Die Ursachen für eine Otosklerose sind noch nicht geklärt. In Frage kommt sowohl eine genetisch verursachte Erkrankung, als auch durch eine Virusinfektion (z.B. Masern) oder hormonell hervorgerufene Otosklerose. Frauen sind doppelt so oft betroffen wie Männer. In der Regel sind beide Ohren betroffen, wenngleich sie auch unterschiedlich stark betroffen sein können. Zumeist beginnt die Otosklerose auf einem Ohr und zeigt sich in einer zunehmenden Schwerhörigkeit. Später ist dann auch häufig das andere Ohr betroffen. Sehr oft geht die Erkrankung mit einem Tinnitus (Ohrgeräusch) einher, der besonders im Tieftonbereich lokalisiert ist und außerordentlich störend für die Betroffenen ist. Nach langer Erkrankungsdauer kann es bis zur vollständigen Ertaubung führen. In den Fällen, wo das Gleichgewichtsorgan, das zum Innenohr gehört, befallen ist, kann es zu Schwindel kommen. Die häufigste Hörschädigung ist eine Schallleitungsschwerhörigkeit (80%), hierbei ist überwiegend das Mittelohr betroffen, der Otoskleroseherd befindet sich rund ums Ovale Fenster, der Gehörknöchelchen und des Trommelfells. Seltener kommt es zu kombinierten Schwerhörigkeiten (15%), hierbei ist das Mittel- und Innenohr betroffen. Sehr selten (5%) kommt es zu einer Schallempfindungsschwerhörigkeit, bei der nur das Innenohr betroffen ist. Durch Medikamente kann bislang ein Fortschreiten der Krankheit nicht verhindert werden. Das Hörvermögen kann durch Hörgeräte erheblich verbessert werden. Ebenso kann durch eine Otosklerose-Operation (Stapesplastik) eine Verbesserung des Hörens erzielt werden. Hierbei wird der fixierte Steigbügel durch ein Prothese ersetzt. In mehr als 90% kann man hier eine Verminderung der Schallleitungsschwerhörigkeit herbeiführen. Bei einer durch die Otosklerose bedingten Innenohrschwerhörigkeit hilft diese Art der Operation nicht.

Innenohrschwerhörigkeiten: Sie sind entweder genetisch bedingt oder erworben. Oftmals findet man aber auch keine Ursache dafür. Es gibt zahlreiche Syndrome, die mit Innenohrschwerhörigkeiten einhergehen. Desweiteren gibt es Fehlbildungen des Innenohrs, die zu einer Schallempfindungsschwerhörigkeit führen. Nachfolgend sind einige Syndrome und Fehlbildungen aufgeführt.

Das LVAS (Large Vestibular Aqueduct Syndrome), LEDS (Large Endolymphatic Duct and Sac Syndrome), EVAS (Enlarged Vestibular Aqueduct Syndrome) oder VAS (Vestibular Aqueduct Syndrome): Bei diesem Syndrom ist der aqueductus vestibuli erweitert. Der vestibuläre Aquäduct ist ein knöcherner Kanal und verbindet das Innenohr mit dem Gehirnwasserraum. Der normale Durchmesser des Aqueductus vestibuli hat einen Durchmesser von 1,5 mm, wenn er größer ist als dieser Durchmesser spricht man von einem erweiterten Aqueductus vestibuli. Dabei kommt es zu einer Umkehrung des Flusses der Endolymphe, nämlich nicht mehr vom Innenohr weg sondern zum Innenohr hin, aufgrund der Druckerhöhung, die vom Gehirnwasserraum nun auf das Innenohr lastet. Durch diesen erhöhten Druck kommt es zur Zerstörung von Haarzellen, was den Hörverlust verursacht. Ärzte warnen bei dieser Diagnose davor, dass Gehirnerschütterungen oder Erschütterungen des Kopfes bei sportlichen Aktivitäten zu einer Verschlechterung des Gehörs bis zur völligen Taubheit führen können. Es können in Zusammenhang mit dem LVAS auch andere Innenohrfehlbildungen und auch Mittelohrfehlbildungen auftreten. Für sich alleine führt das LVAS zu einer Schallempfindungsscherhörigkeit oder mit Mittelohrfehlbildungen zu einer kominierten Schwerhörigkeit. Eine Schwerhörigkeit von Geburt an muss nicht sein. Es gibt Kinder, die in den ersten Lebensjahren noch normal hören oder nur einen geringen Hörverlust haben und erst über die Jahre, manchmal erst im Jugendalter, eine Verschlechterung eintritt. Ein häufiger Zusammenhang mit anderen Syndromen ist bekannt. Hierzu zählt vor allem das Pendred Syndrom (über 80% der Fälle weisen einen erweiterten vestibulären Aquäduct auf, 20% eine hypoplastische Cochlea (Mondini-Fehlbildung), betroffen ist ebenfalls die Schilddrüse).

Mondini-Dysplasie: Benannt nach dem Italiener Carlo Mondini (1729-1803), der als erster diese Fehlbildung beschrieb. Eine Mondini-Fehlbildung ist eine angeborene Fehlbildung des Innenohres. Sie kann sowohl einseitig als auch beidseitig vorkommen. Im Normalfall besteht die Hörschnecke (Cochlea) als zweieinhalb Windungen. Bei der Mondini-Dysplasie hat die Cochlea jedoch lediglich eineinhalb Windungen. Grund für diese Fehlbildung ist eine Hemmungsmissbildung in der siebten Schwangerschaftswoche. Hieraus entsteht eine Schwerhörigkeit unterschiedlichen Ausmaßes bis hin zu völliger Taubheit. Neben der reduzierten Anzahl der Windungen der Cochlea, können noch weitere Fehlbildungen mit der Mondini-Dysplasie einhergehen, beispielsweise ein fehlender innerer Gehörgang, eine abnorme Erweiterung der Labyrinthholräume oder fehlende Bogengänge. Eine Versorgung mit einem Cochlea-Implantat ist nach jeweiliger Abklärung möglich.

Gusher-Phänomen: Das "Drucklabyrinth" ist eine Fehlbildung des Innenohres. Hier ist der Perilymphraum (Raum zwischen dem knöchernen und häutigen Labyrinth) in weiter Verbindung zum Liquorraum des Gehirns (Gehirnwasserraum). Durch den ständigen Liquordruck auf die Flüssigkeit im Perilymphraum kommt es zu einer Bewegungsbehinderung der Steigbügelfußplatte, die am ovalen Fenster befestigt ist. Bei der Tonaudiometrie lässt sich dementsprechend eine Schallleitungsschwerhörigkeit bzw. eine kombinierte Schwerhörigkeit feststellen. Das Audiogramm ähnelt dem bei vorliegender Otosklerose (s.o.), jedoch öffnet man im Zuge der Otosklerose-Operation das Ovale Fenster tritt schwallartig Gehirnwasser aus und nicht in geringen Mengen Perilymphe, wie es eigentlich sein sollte. Daher der Name Gusher-Phänomen (vom englischen "gusher" Springquelle). Die Folge ist, dass das Ovale Fenster abgedichtet werden muss, was zumeist erhebliche Folgen für die Innenohrfunktion mit sich bringt. Zu erkennen ist die Missbildung evtl. schon bei einer sehr ausgeprägte Tiefton-Schwerhörigkeit und einem noch vorhandenen Stapediusreflex (so wird der Reflex, auch akustischer Reflex oder Mittelohrreflex, genannt, der eine unwillkürliche Reaktion der Gehörknöchelchen beschreibt, um das Innenohr vor Schäden durch einen zu hohen Schalldruckpegel zu schützen). Eine ausführliche Anamnese lässt erkennen, dass eine Schwerhörigkeit bereits seit frühester Kindheit besteht. Zusätzliche bildgebende Untersuchungen (CT) lassen Veränderungen im Labyrinth und einen erweiterten inneren Gehörgang erkennen.