Bis zur Diagnose

Bis eine Diagnose gestellt wird, ist es oft ein sehr weiter Weg. In der Regel haben Eltern schon früh einen Verdacht, dass etwas anders ist mit ihrem Kind. Dennoch hat man auch bei einem begründeten Verdacht nicht morgen schon eine feste Diagnose. Grund dafür ist vor allem, dass Symptome in unterschiedlicher Intensität auftreten können, ja sogar gar nicht erscheinen können, was eine sehr präzise Diagnostik bedarf, wie beim Atypischen Autismus oder beim Asperger-Syndrom, das kaum oder keine sprachliche Entwicklungsverzögerung mit sich bringt.

Wichtig ist, dass Sie ihrem Verdacht nachgehen. Wo man sich hinwenden kann und wo eine Diagnose durchgeführt werden kann, möchte ich ihnen auf dieser Seite zeigen.

Die Diagnose von Autismus bei Kindern

Verdachtsdiagnose

Wenn man bemerkt, dass das eigene Kind sich auffällig verhält, nicht so ist wie andere Kinder, führt in der Regel der erste Weg zum Kinderarzt. Jetzt sind aber die meisten Kinderärzte nicht spezialisiert auf Autismus. Und auch bei Kinderärzten kann durchaus noch ein "falsches" Bild vom typischen Autisten vorherrschen. Davon sollte man sich aber nicht verwirren lassen.

Der Autismus-Regionalverband Nord-Ost hat deshalb eine Checkliste entworfen (Checkliste Autismusdiagnostik). Diese gibt den Ärzten die Möglichkeit eine fundierte Autismus-Verdachtsdiagnose zu stellen und ebnet so den Weg für die weitere Diagnostik.

Möglichkeiten für eine erste Verdachtsdiagnose bieten auch folgende Tests:

  • Autismus-Test für Kleinkinder im Alter von 18 Monaten bis 3 Jahren, hier
  • Autismus-Quotient-Test für Kinder im Alter von 4 bis 11 Jahren, hier
  • Autismus-Quotient-Test für Jugendliche im Alter von 12 bis 15 Jahren, hier
  • Autismus-Quotient-Test für Jugendliche ab 16 Jahre und Erwachsene, hier

Die einzelnen Untersuchungen bis zur Diagnose

Eine Diagnose im Bereich Autismus-Spektrum-Störung kann nur von erfahrenen Spezialisten durchgeführt werden. Diese finden Sie zum Beispiel in Sozialpädiatrischen Zentren (SPZ), in speziellen Autismus-Ambulanzen oder auch bei Kinder-Psychotherapeuten. Leider hat man hier sehr lange Wartezeiten für einen Termin.

Für eine abschließende Diagnose bedarf es vielerlei Untersuchungsschritte. Ergänzende Differentialdiagnostik-Schritte dienen dem Ausschluss anderer Probleme.

 

Autismus-Spezifische Diagnostik:

  • Screening-Tests: Der Q-Chat oder M-Chat (Quantified/Modified Checklist for Autism in Toddlers) ist ein Elternfragebogen speziell für Kleinkinder (Q-Chat siehe oben bei Autismus-Test für Kleinkinder). FSK (Fragebogen zur sozialen Kommunikation), aus dem ADI-R abgeleiteter Elternfragebogen mit 40 Fragen (ja/nein), Bearbeitungszeit hierfür 15 Minuten, für Kinder ab einem Entwicklungsalter von 2 Jahren bis maximal 4 Jahren.
  • ADOS (Autism Diagnostik Observation Schedule): Eine standardisierte Beobachtungsskala mit der autistische Auffälligkeiten in der Kommunikation, sozialen Interaktion und im Spielverhalten erkannt werden können. Außerdem ist es dem Diagnostiker möglich stereotype Verhaltensweisen oder eingeschränkte Interessen zu erkennen. Dafür werden gezielt soziale Situationen geschaffen in denen mit hoher Wahrscheinlichkeit bestimmte Verhaltensweisen auftreten. ADOS ist in vier Module unterteilt und kann ab einem Alter von 18 Monaten angewendet werden. Die Testdauer ist ist 30-45 Minuten.
  • ADI-R (Diagnostisches Interview für Autismus - revidiert): Die Untersuchungsdauer beträgt in etwa 2 bis 4 Stunden (verkürzt 45 Minuten). Befragt werden bei dem Interview ein oder beide Elternteil(e) bzw. die Hauptbeszugsperson(en) des Kindes. Es findet eine direkte Umsetzung der untersuchten Kriterien nach ICD-10 und DSM-IV statt. Die meisten gestellten Fragen beziehen sich auf das Alter zwischen 4 und 5 Jahren, da in diesem Alter die Autismussymptomatik in der Regel am stärksten ausgeprägt ist.

ADOS und ADI-R gelten als der "Gold-Standard" in der Autismus-Diagnostik. Jedoch ist ADOS nicht fehlerfrei. So können Kinder, die große Verhaltensprobleme haben oder eine kognitive Entwicklungsstörung im Test über dem Cut-Off-Point landen, d.h. der Test deutet auf Autismus hin, obwohl sie keine Autismus-Spektrum-Störung haben. Genauso kann es vorkommen, dass Kinder, die sehr wohl eine Autismus-Spektrum-Störung haben, unterhalb des Cut-Off-Points liegen, also laut Test ein Autismus eher auszuschließen ist. Kinder zeigen in der Untersuchungs-Situation oftmals Verhaltensweisen, die nicht für sie normal sind. So fließen falsche Verhaltensbeobachtungen in das Ergebnis mit ein. Anders als beim ADI-R werden beim ADOS die gezeigten Verhalten von den Eltern nicht bewertet.

Kinder mit Schwerhörigkeit können zum Beispiel autistische Züge zeigen, eine verzögerte oder gar ausbleibende Sprachentwicklung, kann auf die Schwerhörigkeit zurückzuführen sein, kann aber auch einen autistischen Hintergrund haben. Die fehlende Möglichkeit kommunizieren zu können, kann sich so auch auf soziale Kommunikation und Interaktion auswirken. Ist die Entwicklung allgemein verzögert, insbesondere die kognitive Entwicklung, so kann ein solches Kind auch repetitive Verhaltensweisen zeigen, dies liegt dann daran, dass das Kind geistig noch nicht soweit entwickelt ist, wo man funktionales Spielen erwarten kann. Autismus liegt in diesem Fall nicht vor. Die Schwierigkeit für den Diagnostiker liegt darin zu erkennen, ob das Verhalten autistische Züge zeigt als Folge der Schwerhörigkeit oder ob zu der Schwerhörigkeit eine Autismus-Spektrum-Störung vorliegt.

  • MBAS (Marburger Skala zur Beurteilung des Asperger-Syndroms): Screening von autistischen Störungen auf hohen Funktionsniveau, wie dem Asperger-Syndrom. Getestet werden kann in einem Altersbereich von 6 bis 24 Jahren. Das Kind bzw. der Betroffene hat hier durchschnittliche kognitive Fähigkeiten. Der Fragebogen wird in der Regel von den einem Elternteil ausgefüllt oder von beiden bzw. der Hauptbezugsperson.
  • Intelligenz- und Entwicklungsdiagnostik: Für eine Einschätzung des Intelligenzniveaus des Kindes werden IQ-Tests gemacht, zumeist benutzt man den WPSI-III, den HAWIK-IV oder den K-ABC, für non-verbale Kinder gibt es den SON-R-Test. In der Test-Situation sollte das Kind nicht gestresst, verängstigt oder aufgewühlt sein. Außerdem setzt der Test voraus, dass das Kind versteht, was es tun muss, sprich die Aufgaben zu lösen und das dann auch tun möchte. Das Ergebnis hängt vor allem bei Kindern von ihrer Lust ab, ob sie beim Test mitarbeiten oder nicht. Der IQ-Wert ist daher als Mindestwert anzusehen, denn man kann bei einem IQ-Test immer schlechter abschneiden, als wie es den Fähigkeiten entspricht, jedoch niemals besser. Als Ergänzung zu den genannten Tests kann, vor allem bei autistischen Kindern, der Raven-Matrizen-Test gemacht werden. Die Entwicklungsdiagnostik wird auch nach standardisierten Untersuchungen durchgeführt. So geben hierzu unter anderem die vom Kinderarzt festgehaltenen Beobachtungen im Rahmen der Vorsorgeuntersuchungen im gelben Untersuchungsheft. Sinn ist es festzustellen, ob und in welchen Bereichen eine Entwicklungsverzögerung oder -störung vorliegt. Der Fragebogen für Eltern ELFRA-1 und ELFRA-2 für Kinder von 12 bis 24 Monaten soll Aufschluss über die sprachliche Entwicklung des Kindes geben.
  • Medizinische Diagnostik: Im Rahmen der Differentialdiagnostik können weitere Untersuchungen gemacht werden, EEG, MRT, genetische Untersuchungen, Hörtest, Sehtest, allgemeine körperliche Untersuchung. Damit kann kein Autismus diagnostiziert werden, dient aber dem Ausschluss oder der Bestätigung anderer Störungen bzw. Krankheiten.
  • Differentialdiagnose und Komorbidität: Wie schon erwähnt ist es sehr wichtig im Rahmen einer Autismus-Diagnostik andere Diagnosen auszuschließen bzw. diese durch gezielte Untersuchungen zu bestätigen. Bei einem Kind mit Sprachentwicklungsverzögerung stellt sich die Frage, wo diese begründet ist. Ist es weil das Kind autistisch, oder schwerhörig ist oder vielleicht liegt Mutismus vor? Diese Frage liegt es zu klären um den richtigen Lösungsweg zu finden. Braucht es eine Autismus-Therapie oder eine Hörgeräte-Versorgung. Es kann natürlich im Rahmen der Differentialdiagnostik herauskommen, dass ein Kind mehrere Diagnosen erhält, beispielsweise Autismus und Schwerhörigkeit, der Medzinier spricht hierbei von Komorbidität.