Schwerhörig, was nun?

Wenn man für sein Kind die Diagnose Schwerhörigkeit gestellt bekommt, sind die meisten erst einmal geschockt. Um Fragen beim Arzt zu stellen, hat man sich vorher keine Gedanken gemacht, weil man vielleicht auch nicht damit gerechnet hat. Und so ist man die ersten Tage mit seinen Gedanken erst mal alleine. Die Sorge wie es nun weitergeht steht im Raum.

Der wichtigste Schritt ist die Diagnose als solche für sein Kind zu akzeptieren. Denn nur so bekommt man den Kopf frei, um eine wirkliche Unterstützung für sein Kind zu sein. Eine Schwerhörigkeit ist schlimm, ohne Frage, und für einige Kinder eine wirkliche Herausforderung, um sich trotzdem normal zu entwickeln, aber wenn eine Schwerhörigkeit frühzeitig diagnostiziert wurde, dann haben Kinder sehr gute Chancen sich völlig normal zu entwickeln, vor allem was die sprachliche Entwicklung betrifft.

Hörgeräte

Wenn Sie von ihrer Klinik mit einer Hörgeräte-Verordnung für ihr Kind nach Hause geschickt wurden, ist der erste Schritt der Weg zum Akustiker. Achten Sie hierbei unbedingt auf einen ausgebildeten Päd-Akustiker. Diese sind speziell auf Kinder geschult. Das ist wichtig, da diese bei den Hörtests im Rahmen der Hörgeräte-Anpassung die Reaktionen der Kinder besser erkennen und deuten können. Vor allem bei Kindern, die noch nicht sprechen können, bleiben dem Akustiker nur die Reaktionen, um zu erkennen, ob der Schall optimal verstärkt ist oder nicht. Die Anpassung wird je nach Mitarbeit des Kindes einige Termine in Anspruch nehmen. Nach erfolgreicher Anpassung geht es zu einem weiteren Termin zu der Klinik, die Ihnen die Verordnung erteilt hat, zu einer Überprüfung der Hörgeräte und des Gehörs.

Wichtige Hinweise für die Versorgung mit Hörgeräten bei geringfügiger oder einseitiger Schwerhörigkeit.

Das Cochlea-Implantat (CI)

Ein Cochlea-Implantat (CI) ist eine elektronisches medizintechnisches Gerät. Es wird in einer Operation dem Kind eingesetzt. Es ersetzt dabei anders als beim Hörgerät, das den Schall verstärkt, die Funktion des Innenohrs, sprich der Hörschnecke (Cochlea). Anstatt der elektrischen Impulse, die die Hörschnecke an das Gehirn weiterleiten, entsendet nun das Implantat ebenfalls elektrische Impulse, wenn auch nicht identisch mit den natürlichen. Cochlea-Implantate kommen für Kinder mit einer mittelgradigen Schwerhörigkeit  bis zur völligen Taubheit infrage. Sie können eingesetzt werden, wenn bei einer Schwerhörigkeit herkömmliche Hörgeräte an ihre Grenzen stoßen bzw. keine oder kaum eine Verbesserung des Hörvermögens bringen.

Über die Funktionsweise eines Cochlea-Implantats könnt hier in diesem Video alles erfahren.

 

Lange war es so, dass eine CI-Versorgung zwangsläufig zum Verlust natürlicher Hörreste führte. Deshalb haben sich viele Patienten, die zwar mit Hörgeräten keine Sprache mehr verstehen konnten, aber noch ein Resthörvermögen im Tieftonbereich haben, dagegen entschieden. Oder man kam aufgrund des akustischen Resthörvermögens gar nicht für eine CI-Implantation infrage. Mittlerweile gibt es neue Elektroden-Entwicklungen, die es ermöglichen, dass das Resthörvermögen erhalten bleibt. Hier kommt eine sogenannte Hybridversorgung zum Einsatz, bei der ein Hörgerät mit einem Cochlea-Implantat funktioniell kombiniert wird. Das Hörgerät verstärkt die tiefen Töne und das CI gewährleistet die Wahrnehmung der hohen Frequenzen, die für das Sprachverstehen wichtig sind. Das Ohr empfängt dadurch akustische und elektrische Reize, die gleichzeitig vom Gehirn verarbeitet werden.

 

Frühförderung

Ziemlich zeitnah sollten Sie die Frühförderung für das Kind beantragen. Informationen über Frühförderstellen hat im Normalfall die Klinik zur Verfügung. Eine Frühförderung mit Schwerpunkt "Hören" ist grundsätzlich eine ganzheitliche bedürfnisorientierte Förderung des Kindes unter Beachtung der vorhanden Ressourcen. Für eine optimale Förderung wird ein heilpädagogischer-medizinischer Förder- und Behandlungsplan individuell für jedes Kind aufgestellt. Auf spielerische Weise wird die Kommunikationsfähigkeit gefördert, dies geschieht direkt zuhause beim Kind in Zusammenarbeit mit den Eltern und im Kindergarten. Darüber hinaus können Eltern Hilfe im Umgang mit den Hörgeräten oder auch CIs bekommen. Zudem wird im Rahmen der ganzheitlichen Entwicklungsförderung das Kind psychologisch betreut und bei Entwicklungskrisen unterstützt.

Weiterführende Maßnahmen

Empfohlen in den Leitlinien für periphere Hörstörungen im Kindesalter der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie (DGPP)

Bei hörgeschädigten Kindern ist häufig mit zusätzlichen Beeinträchtigungen zu rechnen. Bei Kindern mit Entwicklungsverzögerungen und Verhaltensauffälligkeiten sind entsprechende zusätzliche therapeutische Maßnahmen wie z.B. Sprachtherapie, Ergotherapie, Psychomotorik u.a. erforderlich.

Bei Vorliegen einer Mehrfachbehinderung kann eine modifizierte Zielsetzung formuliert werden, die sich an den individuellen Entwicklungsvoraussetzungen des Kindes orientieren soll. Die Möglichkeit der positiven Beeinflussung von Lebensqualität und gesellschaftlicher Teilhabe stehen als Erfolg im Vordergrund.

TEACCH

Treatment and Education of Autistic und related Communication handicapped Children (Behandlung und pädagogische Förderung autistischer und in ähnlicher Weise kommunikationsbehinderter Kinder)

TEACCH kennt man eigentlich überwiegend aus der Autismus-Therapie und -Förderung. Allerdings sprechen gerade auch schwerhörige Kinder bedingt durch die Einschränkung des Hörsinns  und bei denen eine Sprachentwicklungsverzögerung vorliegt sehr auf visuelle Eindrücke an. Daher macht es ja auch Sinn Gebärdensprache anzubieten. Wir haben gute Erfolge mit TEACCH bei unserem Sohn erreicht. Mehr Informationen findet ihr unter dem Menüpunkt "Autismus" hier.

Logopädie

Bevor es zur Logopädie geht, wird meist eine logopädische Diagnostik durchgeführt. Hier stellt der Therapeut fest, ob und in welchem Maße eine Sprachentwicklungsverzögerung beim Kind vorliegt. Untersucht wird hierbei der aktive und passive Sprachwortschatz, sprich das Produzieren von Sprache und das Verstehen. Die Logopädie sieht eine mögliche Reduzierung des Sprachrückstandes vor und eine Verbesserung der Aussprache. Die Familie wird in ihrer Kommunikation mit dem schwerhörigen Kind begleitet und unterstützt.

Wenn eine stark verzögerte Sprachentwicklung vorliegt, sollte sehr früh mit einer logopädischen Behandlung begonnen werden, denn so erhöht sich die Chance auf Erfolg. Das Ziel einer solchen logopädischen Frühintervention ist es, die für die Sprachentwicklung notwendigen Grundkompetenzen aufzubauen und zu fördern.

Gebärdensprache und Gebärden-unterstützte-Kommunikation (GuK)

Für eine barrierefreie Kommunikation und Förderung der Lautsprache

Schon im Alter von einem Jahr kann mit dem Erlernen der Gebärdensprache begonnen werden. Zeitgleich wird dem Kind die Lautsprache vermittelt.

Nach wie vor gibt es Menschen, selbst schwerhörig und/oder Eltern schwerhöriger Kinder, die eine reine Kommunikation mittels Gebärdensprache bevorzugen und sogar eine Hörgeräte-Versorgung oder Cochlea-Implantate ablehnen. Dazu kann man nur eins sagen. Das Erlernen sowohl von Gebärdensprache, als auch der Lautsprache ist wichtig. Fakt ist, ein schwerhöriges Kind lebt in einer lautsprachlichen Welt. Ohne den Erwerb von Lautsprache kann es kaum mit der hörenden Welt kommunizieren, da nur die wenigsten Menschen die Gebärdensprache beherrschen. Das Fehlen der einen oder anderen Kommunikationsmöglichkeit führt zum sozialen Ausschluss, entweder aus der hörenden oder der Welt der Schwerhörigen und Gehörlosen.

Bei schwerhörigen Kindern kann mit Gebärden-unterstützter-Kommunikation (GuK) gearbeitet werden. Diese Methode dient der Lautsprachanbahnung und soll Kindern mit einer verzögerten Sprachentwicklung eine verständliche Kommunikationsmöglichkeit bieten. Zudem wird der Aufbau des aktiven Wortschatzes mithilfe visueller Verdeutlichung durch die GuK-Karten und einfacher sprachbegleitender Gebärden gefördert.

Infos zum Beantragen zur Kostenübernahme von Tommy's Gebärdenwelt.

Ebenso können im Rahmen der Eingliederungshilfe Haus-Sprachkurse in DGS und gebärdensprachliche Frühförderung beantragt werden. Infos hierzu und weitere Unterstützung zu Förderungen finden sie hier.