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Ich bin eine glückliche Mama

Endlich finde ich die Worte um diesen Beitrag zu schreiben. Das folgende Thema war in den letzten Jahren sehr schwer für mich und deshalb fiel es mir besonders schwer meine Gefühle darüber in einem Artikel zu verarbeiten. Aber ich möchte mich euch mitteilen. Ich möchte euch von meinem Wunsch, meinem Traum erzählen.

 

Gar keine Frage, wir sind eine glückliche Familie. Und unser Tag ist ausgefüllt, erfüllt und wir lieben unsere kleine Familie. Hatten wir in jeder Hinsicht, eine andere Vorstellung über das, was uns erwartet und wie unsere Familie aussehen soll? Aber sicher. Das muss ich euch wahrscheinlich gar nicht weiter erklären. Niemand erwartet ein behindertes Kind zu bekommen. Ein Kind, das so ziemlich jede Vorstellung sprengen würde und das Familienleben ordentlich auf den Kopf stellt. Aber wir hadern nicht mit unserem Zusatzgewinn, den Philipp mitbrachte. Im Gegenteil, er hat uns in vielerlei Hinsicht eine andere Art zu leben gelehrt und nein, es ist keine schlechtere Art. Für uns war es auch nie hinderlich, dass wir an weitere Kinder dachten. Wir wollten schon immer eine große Familie haben und der Umstand, dass Philipp uns mehr forderte, als es vielleicht ein anderes Kind getan hätte, hat unseren Wunsch nie geändert.

Natürlich gab es Zeiten, wo wir so eingebunden waren, dass wir nicht wirklich an weiteren Zuwachs dachten, aber das Thema war für uns nie abgehakt. 

Schließlich haben wir ja noch unseren Florian bekommen, eine weitere Bereicherung für unsere Familie und ein absoluter Sonnenschein. Die meisten verfolgen unsere Geschichten ja schon lange und wissen daher, dass wir durchaus turbolente Zeiten hinter uns haben. Philipps Verhaltensauffälligkeiten wurden rund um die Schwangerschaft und die Geburt von Florian extremer und nahmen mehr und mehr zu. Es war anstrengend. Die folgenden Jahre, als Florian dann immer aktiver wurde und somit Philipp einfach in seinem Tun dazwischen grätschte, waren für alle sehr belastend. Auch der Umstand, dass wir lange Zeiten, auch vor Corona hatten, wo Philipp ja nicht in den Kindergarten ging, war eine besondere Herausforderung, die wir immer wieder stemmen mussten. 

ZWEIFEL. Ja, da kamen durchaus Momente, wo wir uns nicht sicher waren, ob wir einem weiteren Kind gerecht werden könnten. Ob wir Philipp und Florian noch mit einem weiteren Kind gerecht werden können. 

Immer wieder überdenkt man das für und wieder und horcht in sich, wie groß dieser Wunsch ist und wieviel Reserven man noch hat. Wieviel kann man noch geben, jedem genug geben, sich selbst und seine Partnerschaft dabei nicht vernachlässigend? Es hat dann in der Tat länger gedauert, bis wir uns zugestanden haben, dass wir unserem Wunsch nachgehen. Wir wollten ein drittes Kind! Es war einfach ein Herzenswunsch.

Doch bis heute, knapp drei Jahre nach dieser Entscheidung, blieb es bei dem Wunsch. Und vor allem ich, mein Mann hatte sich glaub ich schon früher von diesem Wunsch verabschiedet, musste jetzt aufhören zu warten und zu hoffen, dass es doch noch klappt.

Den Tiefpunkt hatten wir im Dezember 2019. Wir versuchten es schon eine ganze Zeit und anders als bei den beiden Jungs, wurde ich eben nicht einfach so schwanger. Schließlich kam der November, an dem ich wieder mal schon fast zwei Wochen drüber war. Schwangerschaftstest war negativ, also wartete ich, dass wohl bald die Periode einsetzen würde. Blieb auch nicht lange aus, wenngleich auch nicht wie gewohnt. Als ich dann aber zwei Wochen später noch mal eine Zwischenblutung hatte, bin ich zum Frauenarzt gegangen. Ich wurde untersucht und man hat Blut abgenommen. Nachdem ich eher mit etwas krankhaftem gerechnet hatte, war die Nachricht am nächsten Tag dann mehr als überraschend. Mein hcg-Wert war erhöht. Schwanger? Die Arzthelferin konnte es nicht ausschließen, ich musste eine Woche später noch mal kommen, um zu sehen, ob der Wert gesunken ist oder gestiegen. Hab dann natürlich recherchiert und musste schnell und noch vor dem nächsten Termin feststellen, dass keine intakte Schwangerschaft mehr bestehen konnte. Ich konnte nicht in den anfänglichen Schwangerschaftswochen sein, zu der der Wert passte und für die 6. Woche, in der ich nur sein hätte können, war der Wert leider viel zu niedrig. Der folgende Termin bestätigte leider meine traurige Vermutung. 

Einen Abgang oder Fehlgeburt zu haben, ohne dass man vorher wusste, dass man überhaupt schwanger war, macht es leider nicht weniger traurig. Ich war traurig, fragte mich, was wohl falsch gelaufen ist. Dachte unweigerlich, wenn auch ohne Groll auf Philipp, auf die Woche bevor ich die Zwischenblutung hatte. Eine extreme Woche, wo Philipp wieder mal täglich hier wie ein Wirbelsturm wütete. Schon wieder auf der Suche nach dem WARUM....

Es dauerte zwei Wochen bis ich körperlich wieder schmerzfrei war, der seelische Schmerz jedoch verging nicht. Die wenigen Personen, denen ich zu diesem Zeitpunkt erzählt habe, was passiert ist, haben versucht mich aufzumuntern. Doch auch, wenn es gut gemeint ist, Sätze wie "Schau mal, du hast ja zwei tolle Kinder." und "Wer weiß, warum es passiert ist. Es sollte vielleicht nicht sein." helfen absolut nicht weiter. Ich war traurig. Traurig über das Leben, das nicht entstehen wollte. Traurig, dass sich unser Wunsch nicht erfüllt hat. Es dauerte einige Monate bis ich das überwunden hatte und wir uns getraut hatten, es noch mal zu versuchen. Doch das Glück schwanger zu werden blieb aus.

"... Es soll vielleicht nicht sein." ist es mir durch den Kopf geschossen, als ich wieder einen negativen Schwangerschaftstest in der Hand hielt. Alle Hoffnung, mein Wunsch, lösten sich in diesem Moment regelrecht in Tränen auf. Ich konnte nicht mehr. Ich wollte nicht mehr. Ich konnte dieses ständige Hoffen und Warten und wieder enttäuscht werden, nicht mehr ertragen. Es sollte einfach nicht sein.

Am selben Tag redete ich mit meinem Mann. Sicherlich, er war genauso enttäuscht, aber ich habe auch die Erleichterung in seinen Augen gesehen. Es hat geschmerzt, wie er es aufgenommen hat. Aber ich weiß, letztlich hatte er mitgelitten. Auch er war ständig zwischen Hoffnung und Warten und er sah auch, wie ich darunter gelitten hab. Von daher ist es für ihn zu diesem Zeitpunkt eine erlösende Entscheidung gewesen. Wochen später hatte ich dann die aufbewahrten Babysachen aussortiert, Lieblingsstücke wurden in einem Karton gesammelt und der Rest weggegeben. Ein Moment, der noch mal viel von mir abverlangt hatte und kaum verheilte Wunden wurden wieder aufgerissen. Aber es war ein nötiger Schritt. Mein Schritt mit dem Kapitel abzuschließen.

Heute kann ich darüber schreiben. Ich möchte euch diesen Einblick geben, da ich weiß, dass es viele Frauen gibt, denen es ähnlich geht. Viele Familien von euch, die ebenso überlegen, ob sie zu ihrem autistischen Kind noch ein Geschwisterkind bekommen sollen. Ich hab diesen Beitrag immer wieder mal angefangen und verworfen. Es war für mich sehr lange zu schmerzhaft darüber zu schreiben. Es war ein langer Prozess des Loslassens. Jetzt kann ich aber sagen, ich bin damit im Reinen. Ich bin glücklich. Ich liebe meine Kinder und meinen Mann. Für mich ist meine Familie perfekt so wie sie ist. Ich möchte nicht immer darüber nachdenken, was ich nicht habe. Denn es würde sich undankbar anfühlen. Und das bin ich nicht. Ich bin dankbar, ich habe zwei Kinder, einen Mann, eine Familie, die ich, genau so wie sie ist, über alles liebe. Ich bin eine glückliche Mama.

Für alle Frauen, die in dieser oder ähnlichen Situation sind. Ich wünsche euch viel Kraft um dies durchzustehen. Und vor allem Menschen an eurer Seite, die euch einfach lieben. Findet einen Weg, der euch glücklich machen wird.