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Die Luft ist raus - lustbeschränkt und antriebslos

Ausflug in den Wald vor Weihnachten zu "unserer entdeckten Burg"
Ausflug in den Wald vor Weihnachten zu "unserer entdeckten Burg"

Es sind Ferien, wieder einmal coronabedingt verlängerte Ferien. Weihnachten ist rum und war auch nicht stressig, wie in den vergangenen Jahren, da wir ganz alleine gefeiert haben. Dennoch ist Philipp gestresst, bei der kleinsten Anforderung oder Bitte geht er teilweise in die Luft. Viele Dinge, die er momentan scheinbar verarbeiten muss, aber ihn überfordern. Man merkt, wie ruhelos er ist, sein Gehirn nicht zur Ruhe kommt und ihn sehr lustbeschränkt und antriebslos macht.

An und für sich kamen die Ferien ja gerade richtig, auch dass sie ein paar Tage vorgezogen wurden, war jetzt für uns kein Desaster. Nachdem der Papa ja auch Urlaub hat, heißt es für uns wieder Familienzeit. Doch birgt gerade diese Familienzeit so seine Probleme. Aufeinandersitzen gerade in Zeiten von Corona, wo man sich so gar nicht aus dem Weg gehen kann, schürt natürlich auch Konflikte. Und die Anwesenheit des Papas bringt auch Veränderung in den Alltag. Ich bin so der Typ Mensch, aufstehen und funktionieren, mein Mann eher so das Gegenteil. Aufstehen und dann erst mal schauen, was der Tag so bringt. Philipp ist da wie ich, braucht seinen Plan für den Tag, Vorhersehbarkeit. Er kann nicht so in den Tag leben. Können tut er schon, sofern es heißt: "Hier, Philipp, du kannst den ganzen Tag mit dem Handy spielen." Das Ende vom Lied ist aber, wenn Philipp die Strukturen fehlen, dass er absolut orientierungslos ist und sich das nach und nach in seinem Gemüt bemerkbar macht. Was für Teile der Familie verdiente Entspannung ist, ist für Philipp Stress. Alleine dieser Umstand bringt dann doch öfters Spannung in unser Familienleben.

Nun sollen aber auf Dauer alle Familienmitglieder glücklich sein und es erfordert von jedem ein Maß an Rücksichtnahme. Wir werden immer den Spagat zwischen Entspannung und Aufrechterhaltung wichtiger Strukturen für Philipp vollbringen müssen. Diese Erkenntnis müssen wir uns aber auch immer wieder ins Gedächtnis rufen und wissen auch jetzt wieder mal, es wird Zeit, auch wenn noch Ferien sind, dass wir wieder zum Alltag mit festen Strukturen zurückkehren müssen.

 

Im Wald fühlt Philipp sich wohl
Im Wald fühlt Philipp sich wohl

Wer lässt nicht gerne die Seele baumeln? Auch Philipp lässt sich gerne fallen und entflieht seiner umgebenden Realität nur zu gern. Nur verschwindet Philipp gänzlich in seiner Welt und möchte dann so gar nicht mehr teilhaben an unserem Leben. Es ist dann so schwer ihn zu irgendwas zu animieren. Eigentlich geht er ja sehr gerne raus, vor allem, wenn wir in den Wald fahren. Aber selbst das war jetzt während der Weihnachtstage nicht möglich. Vorgestern ist dann mein Mann alleine mit Florian losgefahren. Der Frust beim Papa war groß, da wieder mal nichts gemeinsam als Familie ging und die Enttäuschung stand Florian ins Gesicht geschrieben, dass er ohne seinen Bruder zum Spielen zu haben und ohne Mama in den Wald sollte. Momente, die mir auch immer sehr schwer fallen und mich traurig machen. Als sie dann raus waren, stand Philipp weinend am Fenster und sah ihnen zu, als sie ins Auto stiegen und wegfuhren. Ein Anblick, der mir das Herz brach. Manchmal wirkt er wie gefangen, er möchte zwar eigentlich mitmachen und kann einfach nicht. Ich hatte ihm versucht ein Türchen zu öffnen, versuchte ihn nochmal in ruhigem Ton das Mitfahren schmackhaft zu machen. Aber es war einfach nichts zu machen. Er war zu aufgewühlt, um sich noch auf irgendetwas einzulassen. Ich gab ihm die Zeit sich zu beruhigen und als der Papa und Florian zurückkamen, war für Philipp die Welt auch wieder in Ordnung.

 

Keinen Druck ausüben, Philipp sein lassen wie er ist und trotzdem nicht völlig in seine Welt abgleiten lassen. Eine tägliche Aufgabe und jedes mal wieder eine neue Herausforderung, die viel Einfühlungsvermögen und Verständnis braucht.

Oft ist es dann echt so, dass wir das Gefühl haben, wir mussten ihn zu seinem Glück zwingen. Wenn ich ihn auffordere mit mir ein Spiel zu spielen und er sträubt sich dagegen, ich aber nicht locker lasse und am Ende sitzen wir lachend am Tisch und er freut sich, weil er gewonnen hat. Hab ich es dann falsch gemacht? Zweifel bleiben immer. Gestern mussten wir ihn dann auch wieder überreden, dass wir rausgehen. Er war aber etwas "versöhnlicher" gestimmt, als die Tage zuvor und so haben wir unseren Couchpotato auch an die frische Luft bekommen. Philipp wollte dann mit dem Fahrrad fahren und so wurde es ein richtig schöner Ausflug. Auf dem leeren Supermarkt-Parkplatz konnte er dann gefahrlos Runde um Runde drehen und als uns allen kalt wurde, mussten wir ihn am Ende zum Heimgehen überreden. Er wollte unbedingt weiter und weiter fahren.

Uff. Ich verstehe ihn ja durchaus. Ich weiß, er tut sich schwer damit andere Dinge zu beginnen bzw. mit etwas aufzuhören. Was es ihm oft unmöglich macht sich spontan auf etwas einzulassen. Aber wir würden es uns manchmal einfacher wünschen.

Zur Zeit aber ist Philipp wenig flexibel und wir müssen ihn gerade wieder ein bisschen "auf Spur" bringen. Was heißt den Stress rausnehmen, ihn runterfahren lassen, während wir für ihn wieder Strukturen aufbauen und ihm die Sicherheit geben sich frei zu bewegen. Erst dann wird er wieder ruhiger werden.

Leider liegt nicht alles in unserer Hand, denn ob der Kindergarten so bald wieder öffnet, können wir leider nicht steuern. Grundsätzlich hat Philipp schon verstanden, dass es ein Wochenende gibt, Samstag und Sonntag ist kein Kindergarten. Ferien sind nach wie vor ein zu langer Zeitraum und für ihn einfach nicht ganz absehbar, wenn plötzlich Montag bis Freitag nicht für Kindergarten steht, sondern er diese Tage Zuhause verbringt. "Morgen, Montag, Philipp, Evi" so seine Worte gestern Abend beim Zubettgehen. "Nein, Philipp. Morgen sind noch Ferien."

Einer von vermutlich vielen Gedanken, die ihn abends wach halten. Bis kurz vor 23 Uhr lag er gestern wieder im Bett und schläft einfach nicht ein. Bereits lange vor den Ferien wieder täglich das gleiche Problem, ein Philipp, der absolut ruhelos in seinem Bett liegt. Jegliche Versuche ihn "einzuschläfern" funktionieren nicht. Wenn wir dann rausgehen, hampelt er so wild in seinem Bett herum, macht irgendwelche Geräusche oder redet irgendwas vor sich hin, so dass er Florian wieder aufweckt. Lange wird diese Konstellation, dass die beiden in einem Zimmer schlafen wohl nicht mehr gut gehen. Florian hat letztes mal schon zum Papa gesagt, dass er alleine schlafen möchte, nachdem ihn Philipp wieder einmal wach gemacht hatte. Bisher hatte Florian seine Freude daran mit seinem großen Bruder in einem Zimmer zu schlafen und Philipp kann ohne seinen Bruder nicht schlafen. Aber das wird wohl bald nicht mehr so gehen. Florian braucht, wie wir alle seinen Schlaf und darf nicht unter Philipps Schlaflosigkeit mitleiden.

Immer wieder ein Balanceakt, den wir vollbringen müssen, der die Bedürfnisse aller Familienmitglieder einschließt. Keiner sollte zu kurz kommen. Bisher ist uns das immer ganz gut gelungen, denke ich. Die Zukunft wird es uns zeigen. So weit voraus möchte ich aber jetzt gar nicht schauen. Jetzt planen wir erst mal die nächsten Tage und hoffen, dass Philipp wieder bisschen motivierter wird, an gemeinsamen Aktivitäten teilzuhaben ohne dabei gestresst zu sein.