Was ist das eigentlich? Was bedeutet es, wenn unsere besonderen Kinder in einen Integrativkindergarten gehen? Was ist gemeint, wenn man von Inklusion redet? Funktioniert es denn? Oder ist alles etwa nur eine Illusion? Die UN-Behindertenrechtskonvention, zu der sich Deutschland und viele weitere Länder bereit erklärt haben, setzt sich dafür ein, dass Menschen mit Behinderung nicht länger benachteiligt werden und als vollwertiges Mitglied der Gesellschaft akzeptiert werden. Aber wie sieht das denn wirklich aus?
Ehrlich gesagt, ich habe Integration lange falsch verstanden. Für mich muss ich sagen, ist Integration zu einer Illusion geworden. An und für sich, wenn man jetzt einfach nur die Definition von Integration anschaut, bedeutet es das Einbeziehen bzw. die Eingliederung in ein größeres Ganzes. Minderheiten, wie behinderte Menschen, werden als Teil der Gesellschaft eingegliedert. Dabei muss sich aber die Minderheit der Mehrheit anpassen. Und das ist wohl der springende Punkt, warum das Modell der Integration an Kindergärten und Schulen oft nicht funktioniert. Habe ich jetzt ein Kind, das vielleicht körperliche Beeinträchtigungen hat, wird eine Einbeziehung in die Gruppe reibungslos funktionieren. Da bin ich mir ganz sicher. Habe ich aber ein Kind, das geistig behindert ist, Probleme in seiner sozialen Interaktion hat, das gern beschriebene verhaltensauffällige Kind, dann stoßen die Versuche dieses Kind zu integrieren an unüberwindbare Grenzen. So viel zur Barrierefreiheit.
Unsere Kinder können sich nicht anpassen. Trotzdem wird es verlangt. Willst du Teil der Gruppe sein, dann sei wie die Gruppe. Unsere Kinder sollen eine Anpassungsleistung erbringen, die sie aber nicht leisten können. Während Personen, die deutlich flexibler in ihrem Handeln sind, starr ihre Position beibehalten. Und dann wird schnell aus einem integrativen Kindergarten- oder Schulplatz eine Exklusion oder gar Separation. Wie viele unserer Kinder finden denn wirklich Anschluss in einer Gruppe? Finden Freunde, Kinder, die sie so akzeptieren, wie sie sind. Viele, so lese ich das ja auch in den unzähligen Foren, werden doch eher ausgeschlossen. Viele Erzieher und Lehrer sind zwar sicherlich bemüht den Kindern Akzeptanz und Toleranz beizubringen. Letzten Endes lassen sich aber Freundschaften nicht erzwingen. Die meisten Kinder werden doch leider nicht aufgeschlossen genug erzogen, als dass sie wirklich über die Besonderheiten hinwegsehen können und ihr Gegenüber, egal in welcher Form, als gleichwertig sehen.
Ein Problem, das sich durch die gesamte Gesellschaft zieht, bewertet zu werden nach dem, was wir im Stande sind zu leisten und nicht danach, was wir sind - MENSCHEN.
Philipp war fast drei Jahre in einer integrativen Gruppe und wir mussten schließlich feststellen, dass es nicht funktioniert. Lassen wir jetzt mal fachliche Kompetenz und Fördermöglichkeiten außen vor. Sind Regelkindergärten oder -schulen denn überhaupt in der Lage, diese besonderen Kinder aufzufangen? Versuchen tun sie es. Aber ist es Integration? Meiner Meinung nach, nein. Sofern die Kinder sich einigermaßen an den Gruppenalltag anpassen können, passt alles. Aber wie ja schon gesagt, sie können es ja kaum bis gar nicht. Eigens für diese Kinder eingestellte Heilpädagogen/-innen und Heilerziehungspfleger/-innen sind verantwortlich dafür, dass die Kinder in der Gruppe funktionieren und eigene Fördermaßnahmen erhalten. Oft ist es dann aber so, dass der normale Gruppenalltag alles überdeckt. Im Sinne der Integration, wird individuelle Förderung gerne hinten angestellt, um an gemeinsamen Gruppenprojekten teilzuhaben.
Individualität ist sicherlich gewollt. Nur es führt dazu, dass sich trotzdem zwei Gruppen bilden. Die normalen Kinder und die Besonderen. Eine "Sonderbehandlung" geht auch nur so weit, als dass sie nicht den Gruppenablauf an und für sich stört. Ob ein besonderes Kind daran teilnehmen kann oder nicht, wird nicht berücksichtigt. Es erfolgt ja nur eine einseitige Anpassung. Sicherheit bietet dann nicht eine feste Struktur, die verlässlich für alle Kinder zutrifft und immer greift, sondern das zuständige Personal für die besondere Gruppe oder auch eine, nur für ein einzelnes Kind, zuständige Individualbegleitung. Fällt eine dieser Personen aus, fällt das ganze Konstrukt zusammen. Was dem Kind Sicherheit gab, ist nicht mehr gegeben und nichts funktioniert mehr. Manche Kindergärten und Schulen lassen ein Kind ohne seinen Individualbegleiter beispielsweise gar nicht erst den Unterricht oder den Kindergarten besuchen.
Dies ist keine Integration. Dies nennt man Separation. Eine Gruppe oder auch einzelne Kinder können Teil des Systems sein, sofern sie eine separate Betreuung haben. Ich schreibe es jetzt einfach mal einem Mangel an Räumlichkeiten zu, dass diese besondere Gruppe in einem Raum mit den normalen Kindern ist. Natürlich ist es nicht so. Integration ist schon das angestrebte Ziel. Aber entweder, weiß man nicht richtig, wie es umgesetzt werden soll oder es ist einfach nicht das richtige Konzept.
Wir Eltern wünschen uns, dass unsere Kinder voll und ganz akzeptiert werden und Teil der Gesellschaft sind, ohne wenn und aber. Wir bereiten sie aufs Leben vor, wir lassen ihnen alle Fördermöglichkeiten zukommen, damit sie über ihre Einschränkungen vielleicht hinwegkommen und sich anpassen können. Einfügen ins gesellschaftliche Bild. Alles was wir erwarten, sind ausgestreckte Hände und die Bereitschaft sie, so wie sie sind, willkommen zu heißen. Den Willen zu haben, dass man unsere Kinder als wunderbare Menschen erkennt, die man gerne in seinem Leben haben möchte. Das, was wir möchten, ist das, was die UN-Behindertenrechtskonvention fordert - INKLUSION.
Deutschland hat ebenfalls, wie sehr viele andere Länder, der Konvention zugestimmt. Aber wird seither wirklich so viel getan? Ändert ein Vertrag etwas an der Einstellung der gesamten Bevölkerung?
Demgegenüber steht die Realität.
Ausschluss aus Kindergärten und Schulen, was definitiv gegen Artikel 24 der Konvention verstoßt. Kinder dürfen nicht aufgrund ihrer Behinderung aus dem Bildungssystem ausgeschlossen werden.
Gesetze werden verabschiedet, die beispielsweise Trisomie-Tests zu Kassenleistungen machen. Wie viele lachende Gesichter werden dadurch nie das Licht der Welt erblicken?
Erzieher- und Lehrermangel führt dazu, dass die Betreuung teils nicht mehr abgedeckt werden kann. Und dann soll man in einer völlig überlasteten Situation auch noch Einfühlungsvermögen für ein besonderes Kind aufbringen.
Menschen zeigen immer noch unverhohlen ihre abschätzende Meinung. Kopfschüttler und Augenrollen ist da noch die harmloseste Methode. "Wenn ich so ein Kind hätte, würde ich mir die Kugel geben.", hatten wir auch schon mal gehört.
Egoismus, Leistungsdruck, Materialismus, eine Wertvorstellung, die nichts mehr mit Nächstenliebe zu tun, lässt keinen Platz für Minderheiten übrig. Vorstellungen vom Leben mit denen unsere Kinder so gar nichts zu tun haben.
Ich halte den Begriff, trotz kleiner Erfolge, Inklusion noch für utopisch. Eine Wunschvorstellung, die wir Eltern für unsere Kinder haben, die sich aber noch lange nicht realisieren wird.
Integration alleine funktioniert nicht und Inklusion bleibt wohl erstmals eine Illusion, der wir uns gerne hingeben. Ein Traum, der uns vorgaukelt, dass unsere Kinder trotz Handicap gleichwertig in der Gesellschaft leben können.