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Knallende Türen und fliegende Autos

Gestern war wieder einer dieser Tage, wo alles explodiert. Auf uns zukommend sahen wir diesen Sturm der Gefühle schon seit einigen Tagen.

Wir sind momentan arg am Zweifeln, ob das alles gut ist, was wir für Philipp machen. Bei uns selbst ist ehrlich gesagt auch die Luft raus und es ist gerade mal ein Monat rum seit der Kindergarten wieder begonnen hat. Aber die acht Wochen Sommerferien, die wir uns bzw. Philipp gegönnt haben, scheinen für uns alle, vor allem für Philipp, schon wieder so weit entfernt zu sein.

Mit dem neuen Kindergartenjahr lief auch die ganze Förderung für Philipp wieder an, Arbeit für ihn, wie wir immer sagen. Tägliche heilpädagogische Betreuung im Kindergarten, wöchentliche Logopädie, seit diesem Jahr noch einmal in der Woche Ergotherapie und weil wir ihm eine barrierefreie Kommunikation ermöglichen möchten, kam vor 3 Wochen noch ein Gebärdensprachkurs für die ganze Familie dazu. Unser Terminkalender gleicht einem Schlachtfeld. Termine vereinbaren, koordinieren, wieder umwerfen müssen etc.

War Philipp vorher am Donnerstag oder Freitag müde und erschöpft, so ist er es jetzt schon Dienstag oder Mittwoch. Wir versuchen zuhause alles um sein Stresslevel so gering wie möglich zu halten, ihm den Alltag so angenehm wie möglich zu machen und richten uns da soweit es uns möglich ist nach seinen Bedürfnissen. Aber trotzdem sind die ganzen Termine und Therapien sehr anstrengend für ihn und dementsprechend niedrig ist seine Toleranzgrenze. Sein Bruder bekommt es mit schlagen und beißen zu spüren, ich werden getreten und angeschrien. Die Spielzeugautos werden zu fliegenden Geschossen und auch sonst alles was ihm in die Finger kommt. Ja und dann werden ja noch die Türen geknallt. Dass das auch mal schief geht, muss ich nicht weiter erklären. So auch gestern. Der Tag endete mit einem Besuch in der Notaufnahme, gebrochenes Fingerglied, Quetschung mit Bluterguss unterm Fingernagel. Prima.

Und dann sitzen mein Mann und ich abends zusammen, die Kinder im Bett, wir erschöpft und fragen uns:

"Ist es das wert? Wird Philipp bei all den Bemühungen von uns allen wirklich irgendwann seinen Rückstand aufholen, kommunizieren können und selbstständig sein? Oder quälen wir ihn völlig umsonst, berauben ihn einer unbeschwerten Kindheit? Ohne ständige Arztbesuche, Therapeuten und dem dauernden Versuch ihm etwas beizubringen, was er gar nicht vermisst. Denn eines steht und stand für uns schon immer fest, Philipp ist glücklich und macht sich nichts aus dem Defizit, den wir "Normalos" sehen."

Wenn man nicht weiß, was das Beste für sein Kind ist, was macht man dann noch richtig?