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Die erste Zeit nach der Diagnose

Da waren wir wirklich überrumpelt. Fragen hatten wir auch keine mehr gestellt. Beim besten Willen, als mich die Ärztin fragte, ob ich noch Fragen hätte, viel mir wirklich keine ein. Welche auch? Ich hatte keine Ahnung was das bedeutete, keine Ahnung was auf uns zukommen würde. Ich hatte mich auf diese Situation nicht vorbereitet.

Also fuhren wir nur mit dem Wissen, dass Philipp schwerhörig sein soll und jede Menge Unwissenheit darüber wieder nach Hause, eine Verordnung für Hörgeräte im Gepäck.

Am nächsten Tag sind wir dann also zum Hörgeräte-Akustiker bei uns im Ort. Dort verwies man uns aber in die Filiale in der nächsten Stadt, denn dort sei ein ausgebildeter Päd-Akustiker. Die freundliche Mitarbeiterin meinte aber zu uns in einem kurzen Gespräch, wir sollen uns keine so großen Sorgen machen, oft ist es bei Babys und Kleinkindern noch so, dass sie Flüssigkeit im Ohr haben bzw. wenn die Hörbahnreifung voranschreitet, sie spätestens mit zwei Jahren sogar keine Hörgeräte mehr brauchen. Wichtig sei die Versorgung jetzt, damit ein akustischer Reiz ankommt und sich der Hörnerv so entwickeln kann.

Das hörte sich doch sehr positiv an. Und alles was positiv und somit beruhigend war, nahm man gerne so an. Wir hatten ja weder eine genaue Prognose, ob bei Philipp das Innenohr, das Mittelohr oder beides betroffen war. Von der Möglichkeit, dass noch Fruchtwasser im Mittelohr war, ja davon hatte die Ärztin auch gesprochen. Also war vielleicht alles gar nicht so schlimm. Hoffnung und ein Gefühl der Erleichterung machte sich breit.

Wir hatten dann für den folgenden Tag einen Termin in der anderen Filiale bekommen. Der Päd-Akustiker dort hatte sich wirklich viel Zeit genommen und hat uns alles erklärt. Wie die Hörgeräte-Versorgung ablaufen wird. Was alles zu tun ist. Hat uns mit Kopfhörer Geräusche eingespielt mit den Hörschwellen von Philipp, woraufhin wir echt entsetzt waren, wie viel leiser er doch hörte und das bei angeblich nur geringem Hörverlust. Und dann kam sie wieder, diese Frage - "Ist ihnen vorher denn schon mal was aufgefallen? Oder wie sind sie darauf gekommen, dass er vielleicht schlecht hört?" Nein, verdammt, alles normal, dachte ich. Er ist unser erstes Kind, und ja, natürlich haben wir auch seine Entwicklung beobachtet, waren bei den Vorsorge-Untersuchungen. Er war irgendwie immer im Rahmen, kein Schnell-Entwickler, aber irgendwie immer gerade so im Soll. Für den Kinderarzt war alles in Ordnung. Für uns auch. Er machte ja auch immer Dinge, die er laut der zahlreichen Babybücher schon können sollte. Nur was ich jetzt im Vergleich zu unserem zweiten Sohn oder auch damals bei seiner Nichte, die nach ihm kam, beobachten kann und konnte, nicht in der Intensität wie es bei einer normalen Entwicklung sein sollte, wie beispielsweise auf den Bauch drehen, das hat er ein paar mal geschafft und dann hat er es aber so schnell nicht mehr wieder gemacht. Ähnlich war das mit dem Hören. Ja er reagierte auf Geräusche und wir glaubten auch, dass er auf Ansprache reagierte. Aber wo sollte so ein Zwerg schon hinschauen, wenn man vor ihm saß und ihn anredete. Natürlich wendete er sich automatisch mir oder dem Papa zu, ob das auf den akustischen oder den visuellen Reiz hin passierte, weiß man das.

Hören von Geräuschen ist eine Sache, aber das Verstehen von Sprache eine ganz andere. Und es ist so. Vor allem gering- und mittelgradige Schwerhörigkeiten werden zumeist unterschätzt, von den unwissenden Eltern und oft auch in den Behandlungsmaßnahmen der Therapeuten und teils sogar von den Ärzten selbst. Fakt ist aber, eine geringe bis mittelgradige Schwerhörigkeit kann was den Spracherwerb genauso schlimme Folgen haben, wie eine höhergradige Schwerhörigkeit. Kinder müssen die Laute der Sprache erst noch lernen. Eine geringgradige bis mittelgradige Schwerhörigkeit liegt aber genau in dem Bereich, wo Sprache stattfindet. Darum kann ich nur an dieser Stelle schon sagen, auf keinen Fall auf die leichte Schulter nehmen.

Der Akustiker hat uns das im großen und ganzen auch erklärt. Aber er hat uns soviel erklärt, man saß Hörkurven und Diagramme. Informationen über Informationen, irgendwann hat man nichts mehr aufgenommen.

Wir liesen also die Abdrücke für Philipp seine ersten Ohrstücke machen, füllten jede Menge Zettel aus und dann hieß es warten bis die Ohrstücke und die Hörgeräte geliefert werden. In etwa zwei Wochen sollte es soweit sein, dass Philipp dann seine ersten Hörgeräte bekommen wird. Ob er sie auch tragen wird?

"Sie werden sehen, so kleine Kinder, akzeptieren Hörgeräte schnell, wenn sie merken, dass sie davon profitieren. Wenn sie damit etwas hören können, dann lassen sie die Hörgeräte auch drin."

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