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Hurra, ein Paket von Oma - Aber wie erklärt man, warum die Oma nicht kommt?

Die derzeitige Situation ist für uns alle ein enorme Herausforderung. Unser komplettes Leben steht gefühlt auf dem Kopf. Wie mag es da in den Köpfen unserer Kinder wohl aussehen? Einigen Kindern kann man erklären, was die Maßnahmen, die aufgrund des Coronavirus getroffen wurden, bedeuten. Warum darf man nicht zu Freunden? Wieso muss man Zuhause bleiben? Und wieso kommt Oma und Opa nicht zu Besuch? Viele Fragen mit schwierigen Antworten. Philipp stellt sich viele dieser Fragen nicht und dennoch kam gestern eben genau diese eine Frage auf: "Wo ist Oma?" Nach meinem gestrigen ersten mündlichen Versuch, hab ich mir heute etwas für ihn überlegt und mir dabei seine Methode sich die Dinge zu erklären zu Nutze gemacht.

Ich muss ja sagen, Philipp ist wahrscheinlich nicht allzu sehr von der Corona-Krise betroffen. Ich denke schon, er vermisst seinen Kindergarten. Aber er hat auch nichts dagegen Zuhause so ein bisschen zu faulenzen. Auch auf soziale Kontakte legt er ja keinen gesteigerten Wert. Freunde hat er nach wie vor keine, die er besuchen möchte und auch Besuche Zuhause sind für ihn nicht wirklich interessant. Worüber er sich natürlich durchaus freut, wenn es um seine Emis (seine Cousinen) geht und die ganz große Ausnahme ist natürlich seine Oma. Zwar wohnen die Großeltern nicht gerade ums Eck und arbeiten auch noch, was Besuche jetzt nicht regelmäßig zulässt, aber die Freude ist jedes mal riesig, wenn sie mal da sind. Aufgrund der ohnehin leider unregelmäßigen Besuche, hat es jetzt auch ein bisschen länger gedauert bis die Frage aufkam. "Wo ist Oma?"

 

"Philipp, komm mit raus. Ein Paket von Oma ist gerade gekommen."

Ein Satz, den Philipp nur missverstehen konnte. Was versteht Philipp? Oma ist da. "Jaaaaa!" Philipp springt jubelnd auf und wollte direkt nach draußen laufen. Jetzt musste schnelle Aufklärung her, damit die Enttäuschung, wenn gleich nur ein Paket hinterm Zaun liegt, nicht zu groß ist. Mit kurzen Sätzen und Worten, die er gut kennt, versuchte ich also zu erklären.

Oma kann nicht kommen.

Oma muss Zuhause bleiben.

Oma wird krank.

Oma muss ins Krankenhaus.

Die Erklärung hat zumindest so viel geholfen, dass Philipp klar war, Oma steht nicht draußen vor der Tür. Aber was hat er verstanden? Vermutlich so: Oma ist krank, kann nicht kommen und muss ins Krankenhaus. Ihm ist der Zusammenhang bewusst, wenn Menschen ins Krankenhaus müssen, weil sie alt und krank sind, dann weg sind (sterben). Das Bild oben, hat er unmittelbar nachdem wir Omas Paket geöffnet haben, mit den neuen Stiften gemalt. Ein Herz für seine Oma mit einem Krankenhaus drüber und Oma mit einem Fragezeichen versehen (Wo ist Oma?).

Alles worüber sich Philipp Gedanken macht, verarbeitet er in seinen Bildern. Er malt und "schreibt" nahezu seine gesamte Freizeit. Auch als er vorhin ein Youtube Video geschaut hatte, in dem ein kleines Kätzchen in einen Schacht gefallen war, erklärte er mir mit diesem Bild. Was machen die Menschen da? Sie suchen etwas. Kurz: "Wo ist die Katze?"

Also hab ich für ihn eine Plan gezeichnet. Was passiert, wenn Oma und Opa Zuhause bleiben und was passiert, wenn sie uns besuchen kommen? Abgeleitet hab ich die Idee von den alternativen Handlungsplänen. Zwei Wege führen zu einem unerwünschten Ziel und einem positiven Ziel. Natürlich ist es sehr vereinfacht dargestellt. Denn ob Oma und Opa überhaupt krank werden, hängt selbstverständlich nicht nur vom Besuch bei den Enkelkindern ab. Aber für Philipp reicht diese Information so aus. Auch den Coronavirus zu erklären würde absolut keinen Sinn machen. Weshalb die kindgerechten Videos sinnlos für Philipp sind, da er keinen Bezug zu sich und uns dabei sieht.

Der momentan richtige Weg (oberer Weg mit Häkchen) zeigt: Oma und Opa "bleibt Zuhause", wird "nicht krank" und "später kommt" zu Philipp und Florian. Der zur Zeit falsche Weg (unterer Weg mit "X") zeigt: Oma und Opa "kommt" zu Philipp, Florian, Mama und Papa, wird "krank" und "kommt" ins Krankenhaus. Da er unsere Namen, sowie "Mama, Papa, Oma und Opa" kennt, habe ich dieses mal bewusst auf Fotos verzichtet und alles gezeichnet.

Das erklärt Philipp natürlich nicht die gesamte Tragweite der Situation und vor allem auch nicht die zeitliche Dimension dieser "Vorschrift". Aber mit den meisten Dingen verhält es sich ja so. Egal ob positive Ereignisse, regelmäßige Aktivitäten und Termine, sie sind für Philipp zeitlich nicht absehbar. Darum gibt es einen Tages- und Wochenplan, wo wir auch diese Erklärung auf die Frage "Wo ist Oma" hinhängen werden.

Ich hoffe für uns alle, dass dieser Ausnahmezustand nicht mehr allzu lange anhält. Dass wir gesund durch diese schwere Zeit kommen und schon bald unsere Liebsten wieder in die Arme schließen können.