· 

Kein ADOS - Was nun?

Wenn man mit seinem Kind zu einem Psychologen oder einem Psychiater geht, dann tut man das als Mutter und Vater in der Hoffnung, dass diese doch wissen, was sie zu tun haben. Jetzt ist die Psychologie natürlich eine Wissenschaft, die zwar auf jahrelangen Forschungen beruht, allerdings können Psychologen nicht etwa auf verlässliche Testergebnisse wie nach einem Bluttest zurückgreifen, nicht den Blutdruck messen und ein Medikament verschreiben. Die Einschätzung erfolgt auf einer subjektiven Einschätzung von Tests. Beobachtungen werden gemacht und daraus wird sich eine Meinung gebildet und letztlich eine Diagnose gestellt. Was bleibt einem als Eltern übrig, wenn sie der Einschätzung der Ärzte nicht folgen können, weil sie ein völlig anderes Bild ihres Kindes haben? Weitersuchen, eine andere Einrichtung, einen neuen Psychologen finden? Wir stehen jetzt vor der Frage und stehen einmal mehr vor der Entscheidung was wir tun sollen.

Vor einigen Tagen hatte ich das Verlaufsgespräch bei Philipp seiner KJP-Praxis. Ich ging eigentlich guter Dinge dort hin. Mit Philipp läuft es momentan ziemlich gut, er war gut im neuen Kindergarten angekommen, Zuhause machen wir mehr und mehr Fortschritte und auch die Sprache kommt langsam in Gang. Von dem Termin versprach ich mir eigentlich, dass wir endlich den Termin für den ADOS bekommen. Bislang hatten wir monatliche Einzelstunden, in denen Philipp frei spielen durfte. Erst in den letzten Stunden hatte die Psychologin versucht ihm Aufgaben vorzugeben und das eskalierte jedes mal (Dinge schmeißen, schreien, gegen die Tür treten und am Ende einnässen). Seine absolute Ablehnung ist auch der Grund, warum sie sich nicht in der Lage fühlen, einen ADOS mit ihm durchzuführen.

Und jetzt das doch sehr ernüchternde Gespräch. Nachdem wir schon mehrmals, auch in Absprache mit dem Kindergarten, es abgelehnt haben, Philipp Methylphenidat zu geben, war dies gleich zu Beginn des Gesprächs wieder Thema. Sie möchten unbedingt Philipp unter Medikamente sehen, wie er sich dann verhält. Sie sehen in ihm zwar durchaus viele Merkmale, die einer ASS zuzuordnen sind, allerdings erleben sie ihn als sehr sprunghaft, was für sie eher einer Aufmerksamkeitsstörung, wie ADHS, näher kommt. Das könne man ihm auch schon sicher diagnostizieren. Vor allem, dass er auch Verhaltensweisen zeigt, wie andere umarmen, gerne mit den Augen zuzwinkert, aber auch aggressives Verhalten, auch um in Interaktion zu treten, sei äußerst untypisch für Autisten. Uff, da waren sie wieder die alten Ansichten des gefühllosen Autisten, der niemanden umarmen kann, dachte ich mir nur. Und seit wann bitte, werden Autisten nicht aggressiv und zeigen kein herausforderndes Verhalten? Beispiele meinerseits, dass mich sogar ein autistischer Junge (mit fester Diagnose) in Philipps Kiga umarmt ohne mich wirklich zu kennen, wurden damit argumentiert, dass diese Diagnose auf subjektiver Einschätzung beruht und bei ihnen viele diagnostizierte Kinder kommen, bei denen sie aber keinen Autismus sehen. Ja, schon klar.

Philipp kann durchaus einen kurzweiligen Eindruck schaffen, er sei sprunghaft. Ihn in ein Spielzimmer zu stecken, voller neuer Spielsachen, die zu erkunden sind und dann zu behaupten, er könne sich nicht auf eine Sache konzentrieren, wäre genauso, wie wenn man über ein Kind an Weihnachten mit allen Geschenken sagen würde es sei sprunghaft. Sowohl Zuhause als auch im Kiga, kann er sich sehr wohl auf Aufgaben konzentrieren und auch dabei bleiben, sofern die Art und Weise, wie er gefordert wird, stimmt. Es ist schwierig ihn manchmal richtig zu motivieren, aber das liegt meist auch an der Herangehensweise. Und auch nachdem die Aufmerksamkeit ebenso aufgrund einer anderen Wahrnehmung ein Problem bei Autismus ist, kann ich eine Aussage, dass es eben eigentlich nur in die Richtung ADHS gehen kann, nicht ganz nachvollziehen.

Noch sind die weiteren Termine nicht abgesagt und wir haben jetzt einige Tage darüber nachgedacht, was wir nun tun wollen. Im Prinzip haben wir momentan keinen Zeitdruck. Er hat jetzt einen sehr guten Kiga-Platz, wo er optimal gefördert wird, er bekommt Ergo und Logo, wo er bereitwillig mitmacht und er macht jede Menge Fortschritte. Alles was wir Zuhause machen, auf Grundlage von TEACCH, haben wir uns schon beigebracht. Er lebt so gut mit diesem System und verlässt sich auf diese Strukturen. Bisweilen würde eine Diagnose nicht sehr viel ändern.

Nur eine Sache würde sich ändern.

Gewissheit.